Sonntag, 8. Juni 2008

7./8. Juni - Long Swim, Radtour (120km) nach Amorbach und Gewitter

Sa., 7. Juni
Nach dem 5-Stunden-Schwimm letzte Woche waren für heute eigentlich 7 Stunden geplant - ca. 21 km. (Der Ärmelkanal ist 33 km Luftlinie, man schwimmt aber wegen der Strömung in der Regel 45-50 km oder mehr.)

Am Abend zuvor hatte ich mich innerlich auf den 7:54-Uhr-Zug programmiert (6:54 klang noch zu abenteuerlich), um ca. 9:30 am Silbersee zu sein, und trotz ein bisschen verschlafen funktionierte es (inkl. Morgenmeditation und Tasche packen.)

Als ich am See ankam, natürlich wieder keine Menschenseele, aber zur Begrüßung ein Schwan neben dem Stockentenmännchen und drei Familien Schwarzhalsgänse (meine Bezeichnung), die erst draußen auf dem See dahinzogen, dann aber innerhalb von 15 Minuten eine nach der anderen ca. 50 m von mir entfernt an Land gingen um im Gras nach Futter zu suchen - mit 10 kleineren und größeren Gänsekücken. Ich genoss kurz die Ruhe und beobachtete die Tiere, bis ich kurz vor 10 Uhr endlich ins Wasser stieg. Ich dachte an Dover - dort müssten sie jetzt fast zur gleichen Zeit mit dem Training beginnen (9 Uhr, aber Zeitverschiebung).

Wieder Sets von 2 Runden - halbe Stunde hin, halbe zurück - nach der 2. Stunde Frühstück (Eierwaffeln von Aldi zur Abwechslung), bei Runde 4 das gute Gefühl, jetzt geht es bergab, "nur" noch 3 Stunden. Nach vier Stunden Müsli und Bananen, und noch etwas Waffel, später noch Rosinen und Energy-Gel.

Diesmal schwimme ich viel mit Erinnerungen. Ich denke an meinen 7-Stunden-Testschwimm in Dover im Juli 1985, bei denkbar schlechtem Wetter, wieviel Spaß es machte, in die Wellen zu "punchen", und wie gut ich mich nach den 7 Stunden noch fühlte. Und dabei hatte ich erst Ende April mit dem Training begonnen! Hier ist der See allerdings flach, leider. Oder ich denke an Jones Beach, Long Island, vor New York, wo wir 1985, als ich im Juli und August wegen schlechtem Wetter den Kanal nicht schwimmen konnte, 2 Wochen Intensivtraining genossen, ebenfalls meist bei recht hohem Wellengang.

Als die 6. Stunde anfängt, stelle ich mir vor, im Kanal zu sein, das Boot neben mir - nach 6 Stunden hatte ich damals die Mitte erreicht, geographisch. Ich konnte vom Wasser aus beide Küsten sehen - die Weißen Klippen von Dover und die französische Küste! Es war ein irres Gefühl. In dem Moment wusste ich, das ich es schaffen würde. Und dann dauerte es von dieser "Mitte" noch 11 Stunden! Im Moment konnte ich mir nicht vorstellen, noch einmal 11 Stunden dran zu hängen - aber es sind ja noch ein paar Wochen Zeit, und das Training wird intensiver. Und die Muskeln wachsen noch.

Während der 7. Stunde wollte ich mir als Visualisationsübung vorstellen, die französische Küste zu erreichen, wie in diesem Video eines anderen Kanalschwimmers:

The video below is of Hugh completing his English Channel Swim on 7/8/2004.
Video

Als ich nach der 6. Stunde (ca. 18 km) für eine kurze Trinkpause aus dem Wasser stieg, fiel mir jedoch die dunkle Wolke am Horizont auf, die bedrohlich größer wurde und näher kam. Der angekündigte 11 Uhr-Regen war ausgefallen, der 17-Uhr Regen würde fast pünktlich sein, schien es. Beim Schwimmen stört Regen ja nicht. Etwas trieb mich aber, die DLRG-Leute zu fragen, ob ein Gewitter gemeldet sei oder nur Regen. Sie fragten, ob ich denn nicht die Blitze in der Ferne gesehen und den Donner gehört hätte?

Erstmal Enttäuschung. Dann zurück ins Wasser, um in Ufernähe wenigstens solange wie möglich noch hin und her zu schwimmen in der Hoffnung, das Unwetter würde vorbeiziehen. Jetzt kamen die Blitze von zwei Seiten auf den See zu. Keine Wahl also! Der Wind frischte auf (endlich schöne Wellen!) und die Wolken öffneten sich. Ich war eine der letzten, die den Strand verließ. Mit dem Rad noch übers offene Feld zum Bahnhof - ich war dankbar und erleichtert, ohne Blitzeinschlag wohlbehalten dort anzukommen.

Radtraining nach Amorbach (120 km) und wieder Gewitter

Sonntag, 8. Juni
Für heute war 26 Grad und Sonne mit etwas Wolken angekündigt. Nachdem die Gewichte (Hanteln) am Morgen extrem schwer erschienen und Arme und Schultern heute nicht noch einen Long Swim verkraften würden, war die geplante Bike-Tour doch das Sinnvollste. Amorbach und zurück - 120 km mit einigen Höhenmetern, eine sehr schöne Strecke erst am Necker entlang, dann durch kühlen Wald, ab Eberbach langsam, ab Kailbach steiler bergauf, 15 km vor Amorbach dann schön bergab - und umgekehrt. Cappuchino im kleinen Barockstädtchen, draußen in der Sonne - so die Vorstellung. Und bis Kailbach auch wie geplant, im Gegenteil, die Strecke erscheint sogar leichter und kürzer als in der Erinnerung.

Als es dann hoch zum Kamm des Höhenzuges geht, wieder dunkle Wolken über dem Wald, sehr dunkle. Donnergrollen. Nicht schon wieder! Das war nicht gemeldet! Es fängt leicht an zu regnen (ich hatte die Regenjacke extra zu hause gelassen), von angenehm frisch sinkt die Temperatur auf etwas kühl. Als ich auf dem Kamm ankomme und meine, aus der Wolke schnell ins Tal in die Sonne fahren zu können, öffnen sich wieder die Schleusen. Ich suche kurz Schutz, um bei der Kühle nicht völlig durchnässt zu sein für die nächsten Stunden, und fahre weiter, als es nachlässt. Der helle Himmel in der Ferne trügt jedoch - es geht erstmal weiter in den Regen hinein, bis es nach 30 Min. dann doch erstmal aufhört. Ich muss dann doch wieder lachen - ist halt Kanaltraining!

5 km vor Amorbach dann wieder eine dicke dunkle klassische Gewitterwolke von rechts. Links, Richtung Amorbach, blauer Himmel. Schaffe ich es noch? Auf einmal öffnen sich wieder die Schleusen, Tropfen wie Geschosse, dazu Donnergrollen und erste Blitze - schnelle Umkehr zur letzten Tankstelle zum Schutz suchen. Ratlos und fröstelnd stehe ich da, esse erstmal meine Haferflocken (die Brötchen fielen schon der letzten Pause zum Opfer). Zurück und wieder vor dem Ziel abbrechen? Dort hängen auch die Wolken. Ich möchte noch etwas Sonne, einen Cappucchino, und vor allem Amorbach erreichen. Als Regen und Blitze nachlassen, wage ich es. In 10 Min. bin ich in Amorbach, aber auch dort alles nass, keine Sonne. Ich genieße trotzdem meinen Cappuchino in einer Eisdiele neben einer Gruppe Motorbikern, die diese Strecke genauso zu lieben scheinen wie die Oldtimer, die einem hier begegnen.

Als ich mich wieder aufs Rad schwinge: "Here comes the sun!!!" Zaghaft, ohne Wärme noch, aber alles verzaubernd. Falls ich mal eine heidnische Inkarnation gehabt haben sollte, war ich sicher ein Sonnenanbeter. Sonnenstrahlen durch Wolken und Blattwerk, Sonnenglitzern auf Wasser, auf Schnee, auf regennasser Strasse, in Tautropfen - schöner als Diamanten. Und die Yogis sagen, die innere Sonne sei noch unendlich viel schöner und kraftvoller.

Bis sie im Neckartal wieder ihre volle Kraft entfaltet, bleibt sie zum Glück noch gemildert. Bis kurz vor dem Hügelkamm kühlt ein leichter Sprühregen, während von rechts die Sonne strahlt. Auf den letzten Metern bergauf sind die einzigen Tropfen dann der Schweiß von meiner Stirn, bevor ich bergab nochmal in die Kühle des Waldes eintauche.

Als ich nach ca. 6 1/2 Stunden wieder zuhause bin, zwar noch ganz fit, aber nicht "taufrisch", frage ich mich, wie das mit den 560 km werden soll (die allerdings nicht so bergig sind). Dabei bin ich mir zugleich bewusst, dass es 2000 und 2004 ja auch ganz gut ging beim Dreifach-Ironman in Lensahn - nur werden es jetzt zuvor ein paar Stunden mehr Schwimmen sein.

Im Prinzip kann man solche Ultras nicht wirklich trainieren. Man kann durch Training für Körper und Geist nur eine möglichst gute Grundlage zu schaffen versuchen. Am Schluss muss es eine tiefere oder höhere Kraft sein, für die man sich öffnet - und das ist das Faszinierende an den Ultras, wenn man spürt, dass man über das rein Physische hinausgeht.

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