Mittwoch, 2. Juli 2008

28./29. Juni - Wind und Wellen am Silbersee - 7 & 5 Std.

Und wieder eine Regatta...



Am liebsten wäre ich wieder zum Bodensee gefahren, der Wellen und des kühleren Wassers wegen, aber es war zu kompliziert und wäre insgesamt recht teuer geworden, vor allem für einen Long Swim - Bahn, Boot, Helfer aus Zürich - und die Wassertemperatur am Bodensee war in den letzten Tagen auch beträchtlich gestiegen.

Über Google nach kalten Seen gesucht - aber alle sind zu weit weg. Der Aufwand lohnt nicht, da am nächsten Wochenende 3 Tage Dover geplant sind - um langsam den Ernst der Sache zu begreifen und die ersten Trainingseinheiten im 15-16°C kalten Channel-Wasser zu absolvieren. Ich freue mich riesig darauf!

Für den Silbersee in Roxheim waren Wind und Wellen angekündigt, die Woche hatte es geregnet, kühle Nächte und tagsüber nicht allzu warm, wäre sicher kein schlechtes Training, dazu könnte ich früher starten und länger bleiben, sogar ohne Helfer. Also: warum in die Ferne schweifen?

Ursprünglich hatte ich einen langen Schwimm für Samstag und eine lange Radeinheit für Sonntag geplant. Doch im Moment spüre ich, dass der Kanal absolute Priorität braucht. Wenn ich erst mal in Calais bin, geht es schon irgendwie weiter. Also: Rad auf 2 Wochen später verschoben, dafür 7 und 5 Stunden geplant, wenn möglich auch mehr.

Samstag zum ersten Mal schon auf den 6:54-Zug, gegen 9 Uhr am See, mutterseelenallein. Himmel bedeckt, Wasser kühl. Überhaupt keine Lust, ins Wasser zu gehen. Erstmal Langhalsgänse und ihre 12 Jungen füttern gehen, am Ufer ein Stück Erkundungsspaziergang. Umziehen und Frühstück (Vollkornhafer-Babybrei). Kurz vor 10 Uhr ins Wasser. Bei den ersten beiden Runden kommen denke ich immer wieder "Muss das sein? Wie schön wäre es jetzt zuhause auf dem Sofa - einen Tag mal ausruhen und morgen dafür einen ultralangen Schwimm... Haha!" Ein anderer Teil in mir weiß, dass das Unsinn ist - zuhause wäre ich keinesfalls glücklich, hier ist der Ort, wo ich im Moment an der richtigen Stelle bin und meinen "Job" machen muss, bzw. darf - wenn mir der Kanal ernst ist. Außerdem - hier muss ich schon lächeln - wie würde das im Blog klingen!

Also weiter - auch wenn Motivation und Inspiration noch schlafen (positiv formuliert). Nach jeder Stunde (= Runde) gönne ich mir kurz eine Pause für einen Schluck süßen Tee oder einen Snack. Versuche mich die erste, schwierige Zeit auf irgendeine spirituelle Eigenschaft zu konzentrieren, bleibe bei "Licht" hängen, und wiederhole das Wort beim Schwimmen im lichtlosen Morgen.

Bei der dritten Runde frischt der Wind auf - jetzt fängt es an, Spaß zu machen, mit der größeren Anstrengung kommt der Flow.

Bei Runde 4 - ich genieße gerade das erste Sonnenglitzern auf den Wellen, die z.T. sogar Schaumkronen ("white horses") tragen - kommen die Windsurfer, und auf dem Rückweg fährt ein Motorboot an mich heran um mir mitzuteilen, dass ich mitten durch eine Regatta schwimme. Ob ich mich nicht etwas mehr am Ufer halten kann?

Zuerst fühle ich mein ganzes Programm durcheinander gebracht - gerade den zweiten Teil des Sees, wo der Wind freie Bahn hat, nicht schwimmen zu können, wie ärgerlich! Wo das Wellen-Training jetzt so wichtig wäre, und so Spaß macht! Dann versuche ich es einfach. Ab der Hälfte schwimme ich am Ufer entlang zu meinen "goldenen Strand", Surfer kommen mir kaum in die Quere, und in Ufernähe ist es genauso wellig. Beim Rückweg wieder Sonnentanz auf den Wellen - ich tauche völlig ein in eine Licht-Wasser-Welt.

Die neue Route macht sogar Spaß - mir wird wieder bewusst, wie gut es tun kann, aus einer Routine auszubrechen, Neues zu entdecken. Im Yoga geht es auch darum, nicht an Dingen/Personen/Situationen zu haften - aber Loslassen, ohne Angst oder Ärger, ist immer ein Stück Überwindung, die aber meist belohnt wird.

Die Taktik war: 5 Runden/Stunden, dann noch 2 drauf. Am Ende der 6. Runde wieder das gute Gefühl: Kanal-Mitte. Aber dann großer Kampf: Ein Teil in mir sagt: "Das reicht jetzt, den Rest machen wir morgen." Die Wellen sind spürbar in Arme und Schultern gegangen, ich fröstle immer wieder. Ein anderer Teil in mir spürt, das das Kneifen wäre. Ich wechsle in einen trockenen Badeanzug, mache Pause, wärme mich auf. Die Sonne strahlt warm, Kinder tollen und lachen im Wasser - jetzt nach Hause gehen? Nein. Kurze Überwindung, und los geht es. Das Wasser fühlt sich kühler an als am Morgen, obwohl es sicher wärmer ist. Dennoch: Die 7. Stunde ist wieder die schönste, die Regatta ist vorbei, ich habe freie Bahn, es fließt. Auf dem Rückweg bin ich jedoch froh, fertig zu sein. Eine 8. Runde ist heute definitiv nicht drin, zudem will ich rechtzeitig nach Hause für ein Abendtreffen und noch Kraft für Sonntag aufheben. Mit dem Rad geht es noch 1 Stunde über die Sommerfelder nach Mannheim.

Sonntag erst kurz vor 11 Uhr ins Wasser (nach 1 h Fahrrad von Mannheim, abends auch 1 h zurück). Die Arme sind so schwer, dass ich das Gefühl habe zu kriechen oder in Zeitlupe zu schwimmen. Nach kurzer Zeit jedoch beginnt es schon wieder zu fließen und ein Gefühl von Kraft und Energe stellt sich ein. Heute ist es windstill, keine Surfer mehr, auch die Sonne ist schon da.

Ich zähle nicht erste, zweite, dritte Runde, sondern achte, neunte, zehnte....

Bei der 3. Runde wieder schwere Arme - an mehr als 5 h ist sicher nicht zu denken. Nach einer längeren Pause mit Wechsel in einen trockenen Badeanzug und kurzem Aufwärmen (Wasser ist ca 20 °C) kommt bei der nächsten Runde wieder die Power. Ich muss an den Satz von Sri Chinmoy denken "We are truely unlimited ... - wir sind in Wahrheit unbegrenzt, wenn wir es wagen und daran glauben."

Zweimal komme ich bei meinen Pausen mit den DLRG-Helfern ins Gespräch, bei denen ich inzwischen bekannt bin. Angenehme Pausenverlängerung. Dafür macht das Schwimmen danach wieder mehr Spaß. Die letzten beiden Runden strahlt die Sonne so ins Wasser, dass es scheint, als kämen die Lichtsstrahlen aus der Tiefe - man fühlt sich wie in einem Meer von Licht, ein wunderbares Gefühl, das ich auch damals im Kanal lange Zeit hatte.

Eine 6. Runde ist jedoch nicht mehr drin. Wenn es sein müsste, ginge es natürlich, aber ich habe kein gutes Gefühl, meinen Körper zu pushen. Auch wenn 13 gut klingen würde - 12 Stunden für das Wochenende sind auch nicht schlecht.

Ich hatte beim Schwimmen viel zurückgedacht an 1985, als ich Ende Juni meinen letzten langen Trainingsschwimm vor Dover hier absolviert hatte: 12 h an einem Tag! Mit einer Freundin waren wir gegen 5 Uhr in Heidelberg mit dem Auto losgefahren. Der See lag in einer wunderbaren stillen Morgenstimmung mit spiegelglattem Wasser, und ich probierte das erste Mal den "Channel Grease" aus, eine Mischung aus Lanolin und Paraffin, die etwas vor Kälte schützt aber extrem klebrig ist. In meiner Unerfahrenheit trug ich den Grease auf den Badeanzug auf, der daraufhin im kalten Wasser, wo das Fett fest wurde und die Elastizität des Stoffs aufhob, wie ein Bremsballon an meinem Körper hing. Daraufhin musste meine Freundin zurückfahren und einen anderen Badeanzug holen, während ich schon mal allein die erste Runde ohne schwamm - allein in dieser wunderschönen Morgenstimmung. Später kamen dann noch weitere Mitglieder von unserem Team zum rudern und schwimmen, den meisten war es aber schnell zu kalt (damals war es sicher nicht mehr als 17/18 Grad). Es war wie ein Familienausflug.

Die 12 Stunden von diesem Wochenende widmete ich innerlich dieser Freundin, die nach einer Hirntumor-Erkrankung vor einigen Monaten dieser Welt Lebewohl gesagt hat. Ich hatte das Gefühl, sie sei wieder dabei gewesen. Und musste daran denken, wie wichtig es ist, sich nicht von seinen Träumen und Zielen abbringen zu lassen - niemand weiß, wieviel Zeit er hier auf der Erde zur Verfügung hat!

Jetzt freue ich mich riesig auf Dover. Freitag (4.7.) früh geht es los, mit Zug und Fähre, Dienstag zurück. Ziel: soviel Schwimmtraining im Hafen wie möglich, besser einschätzen können wo ich stehe, das Boot begutachten und ein paar Dinge mit dem Piloten klären, und letztlich noch etwas Intensität für die letzte Zeit der Vorbereitung gewinnen.

P.S.: Sonntag abend natürlich noch das Fußball-EM-Finale geschaut. Hatte auf Spanien getippt und war happy, dass das beste Team des Turniers auch gewann. Vize-Europameister ist ja auch eine Super-Leistung!

(Witzig: Als ich am Dienstagabend nach dem Schwimmtraining im Freibad durch Bammental fuhr, kam gerade Bundestrainer-Assistent Hansi Flick von seinem großen Empfang aus dem Rathaus, und ich konnte es mir nicht verkneifen, inmitten einer Horde von Kindern auch ein Autogramm zu holen - immerhin hat die TSG Hoffenheim während seiner Zeit als Trainer dort auch beim World Harmony Run mitgemacht!)

Keine Kommentare: